Windpferde als buddhistische, meist mit Tibet assoziierte, Gebetsfahnen, welche die auf ihnen abgebildeten heiligen Worte und Symbole durch den Wind von der Erde zu den Göttern tragen, sind im ehemaligen Königtum Sikkim vielerorts anzutreffen. Der stark buddhistisch geprägte indische Bundesstaat wird von Nepal, China und Bhutan von drei Seiten umfasst und ist landschaftlich maßgeblich vom Himalaja geprägt. Seit 1975 ist Sikkim Teil der Indischen Union und soll von Padmasambhava auf seinem Weg nach Tibet um 800 gegründet worden sein. Er nennt es das „verborgene fruchtbare Tal“ oder „das versteckte Land voller Schätze“. Als zentrales göttliches Wesen nimmt Padmasambhava eine wichtige Stellung im Alltag sowie in der Geschichtsdarstellung in Sikkim ein.
Sikkim ist touristisch kaum erschlossen, und bis heute benötigt man eine besondere Reisegenehmigung für den Bundesstaat.
Hiltrud Rüstau und Imke Jörns stellen in ihrem Buch den zweit-kleinsten indischen Bundesstaat vor. Neben einer umfassenden und informationsreichen Einführung in Geschichte, Politik und Religionen der Region geben die Autorinnen ihre auf zwei Reisen gesammelten Eindrücke zu Landschaft und Menschen wieder. Abgeschlossen wird das Buch durch eine allgemeine Abhandlung zum Buddhismus mit Berücksichtigung verschiedener Schulen und Ansichten. Ihre Beobachtungen werden immer wieder durch detaillierte Erläuterungen ergänzt, beziehungsweise mit Erfahrungen aus anderen Teilen Indiens verglichen.
Im Vordergrund stehen die Menschen mit ihren Geschichten und ihrer Herkunft neben Ausführungen zu Religion und Landschaft – in einem Gebiet, von dem gläubige Buddhisten annehmen, dass geheime Schätze und religiöse Quellen noch immer verborgen sind und ihrer Entdeckung harren.
Immer wiederkehrende Themen sind neben Religion, wobei der Fokus nicht allein auf dem Buddhismus liegt, sondern Verweise zu anderen regionalen Formen religiöser Vorstellungen mit aufgenommen werden auch Fragen zur sozialen Identität in einem von Handel und Zuwanderung geprägten Gebiet.
Die Autorinnen verstehen es, die liebevolle Darstellung ihrer Begegnungen und Gespräche mit einem sehr unterhaltsamen humorvollen Unterton zu versehen.Die Erklärungen zu Religionen und sozialer Identität geschehen im Rahmen ihrer Möglichkeiten – Rüstau und Jörns sind keine Experten für Buddhismus oder Identitätsfragen. Vielleicht gelingt es ihnen jedoch gerade deswegen, die Sachverhalte leicht verständlich zu formulieren und Lücken einzugestehen. Auf diese Weise ist dieses Buch nicht nur hilfreich für Individualtouristen, sondern kann auf Grund fehlender konkreter Fachliteratur als eine interessante und übersichtliche Einführung in die Region genutzt werden. Den Autorinnen gelingt es damit, Anregungen zu vermitteln, die mehr sind als nur ein Reisebericht, sei es für Reiselustige, für an der Region Interessierte oder einfach für Leser, die vielleicht nur den Alltag für einen kurzen Augenblick verlassen wollen.
Gerade angesichts der aktuellen touristischen und wirtschaftlichen Öffnung Sikkims ist das Buch als ein unverzichtbares Werk für Reisende als auch für Sikkim- und Buddhismus-Interessierte anzusehen.
Stephan Beutner