In der Abenddämmerung beginnt in den drei heiligen indischen Städten Rishikesh, Haridwar und Varanasi ein faszinierende Ritual: die Ganga Aarti. Ganz gleich wie das Wetter auch sein mag, wird dann jeden Abend am Ufer des Ganges ein rituelles Feueropfer gebracht; dieses Ritual nennt man aarti. Üblicherweise werden ein kleines Licht (eine Kerze oder eine sogenannte diya, ein kleine tönerne Öllampe) und einige Blüten auf ein Schiffchen gesetzt und der Göttin Ganga geopfert, indem man das kleine schwimmende Schiffchen mit dem Licht auf den Fluss setzt und die Strömung hinunter treiben lässt. Aber die Ganga Aarti wird an den drei heiligen Orten jeweils ein wenig anders gefeiert.
Die Ganga Aarti in Rishikesh
Die Ganga Aarti in Rishikesh ist die bekannteste der drei Rituale. Sie findet am Ufer des Ganges beim Parmarth Niketan Ashram statt. Sie ist sowohl die innigste als auch die entspannteste der drei Aartis und ohne theatralischen Schnickschnack. Viele Menschen bevorzugen diese Aarti genau aus diesem Grund, denn sie finden sie einfach spiritueller.
Hier wird die Aarti auch – anders als an den anderen beiden Orten – nicht von Pandits (indische Religionsgelehrte) durchgeführt, sondern von den Bewohnern des Ashrams, vor allem von den Kindern und Jugendlichen, die hier die Veden studieren. Die Zeremonie beginnt mit dem Singen der bhajans (religiöse Lieder), Gebeten und einem hawan (ein Ritual um das Feuer, bei dem dem Feuergott Agni Gaben dargebracht werden). Die Lampen werden entzündet und am Ende des Rituals an den Fluss übergeben. Dabei singen die Kinder des Ashrams zusammen mit ihrem spirituellen Lehrer die religiösen Lieder. Über dem Ganzen thront eine Statue von Gott Shiva.
Zu dem Zeremoniell ist jeder willkommen. Sie sollte jedoch rechtzeitig da sein, wenn Sie einen Platz auf den Stufen in der Nähe des Rituals ergattern möchten. Ihre Schuhe müssen Sie übrigens am Eingang abgeben. Aber keine Sorge, die sind dort sicher.
Die Ganga Aarti in Haridwar
In Haridwar findet die Zeremonie am Hari-ki-Pauri-Ghat statt, denn hier soll sich im Stein ein Fußabdruck von Gott Vishnu befinden. Die Ganga Aarti in Haridwar ist vermutlich das Ritual, das indische Pilger am meisten anzieht. Die spirituelle Bedeutung der Aarti in Haridwar ist jedenfalls ähnlich hoch wie die der Ganga Aarti in Varanasi, ist aber nicht ganz so aufwendig inszeniert. Dennoch gibt es hier alles, was man sich zu einem religiösen indischen Ritual vorstellt: eine Menge Leute, heilige Männer, Pandits, Götterfiguren der verschiedenen Gottheiten, Musik und Gebete über Lautsprecher, klingende Glöckchen, Gesang, Räucherstäbchen, Blumen und Feuer – kurz: ein intensives Erlebnis für alle Sinne.
Man kann das Spektakel entweder betrachten, indem man sich in Sichtweite ds Rituals auf die Stufen des Ghats setzt. Man kann sich in seinem Hotel aber auch nach einem Touristenführer erkundigen, der einen mitten in das Geschehen bringt. Dann wird man von einem Pandit gesegnet und darf ganz vorne auf den Stufen sitzen, mit viel Glück sogar eine der Lampen halten und so direkt an diesem alten Ritual teilnehmen. Ein unvergessliches Erlebnis!
Am Ende wird der Pandit freilich von Ihnen Geld fordern, und da Sie Ausländer sind, viel Geld. Wenn Sie einen großzügigen Tag haben, dürften aber 500 Rupien durchaus genug für seinen Service sein. Und noch ein Tipp für Frauen: Nehmen Sie einen Schal oder ein großes Tuch mit, mit dem Sie ihren Kopf bedecken können. Dies ist aus Respekt vor den religiösen Gefühlen der Gläubigen angezeigt.
Die Ganga Aarti in Varanasi
Jeden Abend bei Sonnenuntergang findet in Varanasi am heiligen Dasaswamedh Ghat in der Nähe des Kashi Vishwanath Tempels eine Ganga Aarti statt. Hier in Varanasi ist die Zeremonie vollkommen durchchoreografiert. So sehenswert das ist, es gibt durchaus Leute, die diese Ganga Aarti für zu artifiziell und gekünstelt halten, als dass sie noch viel spirituelle Bedeutung haben könnte.
Die aarti wird auf einer Bühne von einer Gruppe junger Pandits, die alle in safranfarbene Roben gekleidet sind, durchgeführt. Am Anfang wird auf einer großen Konche (einer Meeresschneckenschale) geblasen. Dann werden Räucherstäbchen in ausgeklügelten Bewegungsmustern und große Feuerlampen, die gegen den dunklen Himmel in hellen Farben leuchten, geschwenkt. Diese Bewegungen sind streng zu den rhythmischen Gesängen und dem Klang der Zimbeln synchronisiert. Der schwere Duft von Sandelholz liegt in der Luft.
Die meisten Leute kommen schon sehr früh zu der Zeremonie, damit sie einen guten Aussichtsplatz bekommen. Man kann die Zeremonie inzwischen aber auch vom Fluss aus auf einem Boot betrachten. Viele Geschäfte in der Gegend vermieten auch ihre Balkons an Touristen.
Eine Ganga Aarti zu erleben, hat etwas Magisches, tief Beeindruckendes. Lassen Sie sich dieses Ritual keinesfalls entgehen, wenn Sie einmal in Rishikesh, Varanasi oder Haridwar sind.