Die ersten Pflanzen der Kläranlage werden gepflanzt. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam

Ein Umweltprojekt in Indien: Wasser aus Abwasser

Wasser ist ein kostbares Gut, in Indien noch mehr als in vielen anderen Ländern der Welt. Im Land der Gegensätze leben 16 Prozent der Weltbevölkerung, doch es stehen nur vier Prozent der Trinkwasserressourcen zur Verfügung. Trockenheit und Wassermangel stellen weite Teile Indiens deshalb vor große Herausforderungen.

Wassermangel im Herzen Indiens

Das Land hat viel Nachholbedarf mit der endlichen und lebensnotwendigen Ressource Wasser nachhaltiger umzugehen. Obwohl die Region um Nagpur aufgrund des Monsuns mit durchschnittlich 1.170 mm Jahresniederschlag im Vergleich zu den 770 mm Regen, der in Deutschland jährlich niedergeht, relativ niederschlagsreich ist, herrscht die meiste Zeit des Jahres Wassermangel. Etwa 85 Prozent der Jahresniederschlagsmenge fällt in der Monsunzeit zwischen Juni und September und es werden nur unzureichende Maßnahmen zur Regenwasserrückgewinnung ergriffen, um mit dieser Besonderheit effizient umzugehen. Der sorglose Umgang mit dem lebenswichtigen Wasser spiegelt sich auch in der wahllosen und nur kurzfristig durchdachten Wasserentnahme aus Flüssen und unterirdischen Wassersystemen wider. Nachhaltige Gedanken zur Regenerationsfähigkeit der Gewässer macht man sich dort eher selten. Langfristig kann die Natur die Schäden nicht regulieren, es kann zu irreparablen Schäden des Wasserhaushaltes kommen.

Baustelle Abwasserentsorgung

In enger Verbindung zu der Trinkwasserproblematik steht ein großes Abwasserproblem, denn verschmutztes Wasser wird in weiten Teilen Indiens nicht behandelt, sondern ohne nachzudenken auf Felder oder sogar in saubere Gewässer geleitet. Diese Vernachlässigung ist maßgebliche Ursache für die aktuelle Verschmutzung von offenen Gewässern oder von Grundwasser und damit auch verantwortlich für die Verunreinigung von Trinkwasser. Mittel- und langfristig hat dies die gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung, etwa durch die Übertragung von Infektionskrankheiten, zur Folge. Das ökologische Gleichgewicht wird durch die unerwünschte Zunahme an Nährstoffen im Wasser (Eutrophierung) gestört. Es wird geschätzt, dass allein Indiens Großstädte ein Schmutzwasseraufkommen von 38,354 Millionen m³ pro Tag haben, von denen nur 11,786 Millionen m³ behandelt werden.

Im Subcenter des Ecumenical Sangam auf der Modellfarm in Bamhani in der Nähe von Nagpur (Maharashtra) gab es bislang Abwassertanks, die zum Ziel hatten Feststoffe zurückzuhalten. Die flüssigen Abwasserbestandteile selbst wurden jedoch unbehandelt über einen einfachen Auslass auf die Felder geleitet. Dieses Vorgehen führte neben den zuvor erwähnten, oft jedoch nicht unmittelbar wahrnehmbaren Problemen zu einer enormen Moskito- und Geruchsbelästigung und somit zu einer Einschränkung der Lebensqualität.

Die erste Pflanzenkläranlage des Ecumenical Sangam

Die Modellfarm des Ecumenical Sangam hat das Ziel als Vorbild zu fungieren und Menschen über die Potenziale in der Region aufzuklären. Um dem Modellcharakter noch besser gerecht zu werden und um mithilfe einfacher, für Indien zukunftsfähiger Techniken zu einer Verbesserung der Umweltsituation beizutragen und dadurch der Landbevölkerung das Nachhaltigkeitskonzept näherzubringen, brachte ich im November 2012 den Projektvorschlag ein, eine Pflanzenkläranlage zu implementieren. Der Gedanke Schmutzwasser wiederzuverwenden kam sofort gut an. Warum das Abwasser vorher behandelt werden sollte, konnte von vielen Beteiligten zunächst nicht nachvollzogen werden.

Projektbeteiligte bei der Planung der Anlage. Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam     Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam
Projektbeteiligte bei der Planung der Anlage. Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam
Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam

Nach der ersten Ausformulierung der Projektidee mit Problemaufriss, Stand der Forschung und methodischem Lösungsansatz sowie unzähligen Aufklärungsgesprächen über die Relevanz der Thematik kam im Januar 2013 der professionelle Kontakt zu NEERI (National Environmental Engineering Research Institute) zustande. NEERI ist eine staatliche indische Forschungseinrichtung mit dem Ziel, wissenschaftliche Lösungen für Umweltprobleme zu entwickeln. Bis zum heutigen Tag hat NEERI bereits über 30 Projekte zur Abwasserbehandlung mit einem täglichen Abwasseraufkommen zwischen 5.000 und 500.000 Litern betreut sowie etliche Projekte in der Warteschleife. Im Rahmen einer deutsch-indischen Kollaboration zwischen dem Ecumenical Sangam und NEERI entstand die detaillierte technische und finanzielle Planung der Pflanzenkläranlage. Das Management gab im März 2014 grünes Licht zur Projektumsetzung, zwei Monate später war der Bau der Kläranlage bereits abgeschlossen.

Funktionsweise der Anlage

Die Pflanzenkläranlage soll zunächst ein Abwasseraufkommen von 2.000 Litern pro Tag reinigen und anschließend für die Bewässerung der Felder zur Verfügung stellen. Dieses Prinzip verbessert gleich zwei lokale Probleme: Das Abwasser wird gereinigt und stellt somit keine Gefahr mehr für Mensch und Umwelt dar und es werden enorme Mengen an Wasser zur Bewässerung eingespart.

So funktioniert die Pflanzenkläranlage. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam
So funktioniert die Pflanzenkläranlage. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam

Die Anlage besteht aus drei Kernstücken: dem Vorklärbecken, dem auf Kies gewachsenen Pflanzenbeet aus Schilf und Blumenrohr sowie dem Wassertank für das gesäuberte Abwasser mit Überlaufschutz.

Die Abwässer sammeln sich zunächst im bereits vorhandenen Abwassertank. Hier setzt sich der Großteil des Fäkalschlamms ab. Die übrigen Bestandteile werden über ein Gefälle dem Vorklärbecken zugeführt, in dem die letzten unerwünschten Feststoffe zurückbleiben. Die flüssigen Abwasserbestandteile werden anschließend in das Herzstück der Kläranlage, das bewachsene Kiesbett, geleitet. Ein integrierter Retentionsmechanismus stellt sicher, dass das Abwasser ausreichend lange in dem Klärbecken verweilt und nicht unbehandelt zum Ausfluss strömt.

Die Kläranlage braucht nicht viel Platz, wie man hier beim Aushub der Grube sieht. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam
Aushub der Grube für das Pflanzenklärbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam

Im Pflanzenklärbecken findet durch ein Zusammenspiel komplexer physikalischer, chemischer und biologischer Eliminationsmechanismen die eigentliche Abwasserreinigung statt. Es handelt sich um ein Zusammenwirken von Kies, Sumpfpflanzen, Mikroorganismen und Porenluft. Die Pflanzen nutzen einen Teil der Wassernährstoffe für ihr Wachstum. Die Pflanzenwurzeln belüften den Bodenfilter und bilden die Grundlage für den Lebensraum der Bakterien. Die Mikroorganismen, die die Oberfläche des Bodensubstrates und die Pflanzenwurzeln als Lebensraum auserkoren haben, bilden den Hauptanteil beim Abbau der Schmutzstoffe. Der biochemische Sauerstoffbedarf, maßgebender Parameter zur Beurteilung des Verschmutzungsgrades von Abwasser, kann auf diese Weise um bis zu 95 Prozent gesenkt werden. Das behandelte Abwasser erreicht die Qualität, die vom Maharashtra Pollution Control Board (MPCB) festgesetzt wurde und ist zur Bewässerung in der Landwirtschaft sehr geeignet.

Vorteile der Pflanzenkläranlage

Es gibt viele Gründe, sich in Indien als Befürworter einer Pflanzenkläranlage auszusprechen. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie haben bewiesen, dass Kläranlagen in Ländern wie Indien mit überwiegend warmen Temperaturen weit effizienter arbeiten als in Deutschland. Eine Kläranlage, die in Deutschland Abwässer von 100 Einwohnern reinigen kann, arbeitet in Indien viel wirtschaftlicher und schafft dies für 300 Einwohner. Dementsprechend sind Kläranlagen mit dem gleichen gereinigten Volumen deutlich kleiner und preisgünstiger.

Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam
Die Anlage braucht nur wenig Platz, wie man hier bei der Kiesverfüllung für das Pflanzenbecken sieht. Foto: DIZ/Ecumenical Sangam

Gerade in ländlichen Regionen, in denen der technische Fortschritt hinterherhinkt, ist es besonders naheliegend bei der Selbstreinigungskraft der Natur anzusetzen. Der Reinigungsprozess benötigt keinerlei Energiebedarf und gewährleistet geringste Betriebskosten. Pflanzenkläranlagen können in die Landschaft eingebettet werden und Biotope schaffen. Insbesondere beim Vorher-Nachher-Vergleich schneiden Pflanzenkläranlagen durch die Assoziation mit gartenähnlichen Anlagen und dem Wegfall der Geruchs- und Moskitobelästigung durchweg positiv ab. Viele Erreger von Infektionskrankheiten, wie Bakterien oder Wurmeier, werden wirkungsvoll eliminiert.

Instandhaltung der Kläranlage

Die Instandhaltung der Kläranlage ist denkbar einfach. NEERI übernimmt das Monitoring der Wasserqualität und untersucht in regelmäßigen Zeitabständen Wasserproben. Es sollte regelmäßig überprüft werden, dass sich die Pflanzen nicht zu schnell ausbreiten und durch ihr Wurzelwerk den Wasserfluss stören. Gegebenenfalls müssen die Pflanzen zurückgeschnitten werden. Mindestens einmal im Jahr sollte das Vorklärbecken der Kläranlage von angespülten Feststoffen befreit werden. Ansonsten muss natürlich gewährleistet werden, dass die Pflanzenkläranlage funktionstüchtig ist. Das kann ohne großen Aufwand bei anderen Anlässen passieren, beispielsweise durch die Überprüfung des Wasserniveaus im Herzstück der Anlage. Die Mitarbeiter des Ecumenical Sangam erhielten eine Unterweisung von NEERIs leitendem Wissenschaftler Dr. Rajesh Biniwali, damit eine nachhaltige Nutzung der Kläranlage sichergestellt werden kann.

Übliche Nachteile einer Pflanzenkläranlage entfallen

Als Nachteile einer Pflanzenkläranlage werden immer wieder die kritische Wintersicherheit und der hohe Platzbedarf genannt. Die durch die Wärme in dieser Region erreichte Effizienz und die daraus resultierende Platzeinsparung entziehen beiden Argumenten den Boden. Besucher der Pflanzenkläranlage sollten darauf hingewiesen werden, dass das gereinigte Abwasser trotz einem augenscheinlich einwandfreien Anblick keine Trinkwasserqualität erreicht.

Blick in die Zukunft

Eine Pflanzenkläranlage in Indien ist insbesondere in ländlichen Regionen eine geeignete Maßnahme zur Verbesserung der Abwassersituation und zur Wassereinsparung in der Landwirtschaft. Das erfolgreich abgeschlossene Projekt hat beim Ecumenical Sangam, bei der Deutsch-Indischen Zusammenarbeit und bei NEERI das Interesse an weiteren Projekten geweckt. Der Sangam ist in vielen Dörfern südlich von Nagpur aktiv und hat sich als Ziel gesetzt die regionale Gesundheits- und Bildungssituation sowie die nachhaltige Entwicklung zu fördern. Weitere Projekte zur Abwasserbehandlung, etwa der Bau einer Pflanzenkläranlage für ein gesamtes Dorf unter Akzeptanz und Eigenbeteiligung der Bevölkerung, bieten sich daher an. Es darf gespannt verfolgt werden, welche Zukunftsszenarien sich ergeben. Jonas Schulze, weltwärts-Freiwilliger im Ecumenical Sangam (10/2012 bis 06/2013)

Weitere Informationen: Deutsch-Indische Zusammenarbeit e. V., www.diz-ev.de

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