Raja Ravi Varma Portrait

Raja Ravi Varma reloaded

Raja Ravi Varma wurde am 29. April 1848 geboren. Er feiert also dieses Jahr seinen 175. Geburtstag – ein Grund ihm einige Zeilen zu widmen. Eine Berlinreise hat ihn uns wieder in Erinnerung gebracht.

Asiatische Kunst im Humboldt-Forum: Eine Hommage an Raja Ravi Varma

Im Herbst 2021 ist die Kunstsammlung „Süd-,Südost- und Zentralasien“ – das Museum für asiatische Kunst – in das Humboldt-Forum, man könnte auch sagen in die Humboldt-Schlossanlage, eingezogen.
Ein monumentaler Bau, der aus 2 rechteckigen Gebäuden, jeweils mit Innenhof, besteht. Eine Art „Gasse“ trennt die beiden Baukörper.

Der Haupteingang, von einer Kuppel gekrönt, liegt auf der Westseite. Von der U-Bahn-Station oder von der Bushaltestelle, sind es nur wenige Schritte in die Eingangshalle, dem Glasdachhof hinter dem Haupteingang.

Über eine langgestreckte „Verteilerhalle“ (mit Garderoben, WCs, Aufzügen und einer Rolltreppenanlage) werden die Obergeschosse mit dem Museum für Asiatische Kunst im 3.OG erschlossen, dessen Räumlichkeiten sich U-förmig um den Eingangshof (des Erdgeschosses) gruppieren.

Wir starten im Uhrzeigersinn vom Raum 313, der Einführung in die asiatische Kunst, in Richtung Indien. Nach dem Raum mit den imposanten Gandhara-Buddhas stehen wir kurz darauf, man könnte sagen in Kontrast zu den „klassischen“ Buddhas, vor einer Reihe von Raja Ravi Varma-Bildern.

Grossformatiges Foto im Asiatischen Museum
Raja Ravi Varma -Drucke, bunt, plakativ, fast ein bisschen kitschig – zumindest nach heutigem, „modernen“ Geschmack. Ein großformatiges Foto mit einer Texttafel erläutern den religiösen Hintergrund der Drucke, bzw. Poster.

Die Bedeutung von Raja Ravi Varmas Drucken in der indischen Religion

„Farbenfrohe Poster mit Darstellungen indischer Götter und Göttinnen sind in Indien allgegenwärtig. Man begegnet ihnen auf der Straße, in Geschäften, Restaurants und Wohnungen. Oft werden sie mit Blütengirlanden geehrt. Die industrielle Produktion dieser für jeden erschwinglichen bunten Ikonen setzte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Siegeszug der Farblithografie ein. Indische Maler, oft in mehreren (indischen wie westlichen) Farbstilen geschult, erstellten die Vorlagen in einem kreativen Mix So schufen sie neue populäre Bildtypen. Besonders prägend war hier der Maler Raja Ravi Varma aus Travancore, Südindien (1848 – 1906), der ab 1894 eine eigene, sehr angesehene, von deutschen Fachleuten unterstützte Druckerei betrieb.“

Zwei der im Humboldt-Forum ausgestellten Drucke, bzw. die gleichen Drucke aus unserer eigenen Sammlung.

Hasta Shilpa Heritage Village: Bewahrung der Tradition der indischen Farbdruckkunst

Den Ursprung der Drucke, die Druckmaschinen und die Lithografiesteine, haben wir vor einigen Jahren in Indien, in Manipal, einer Universitätsstadt in der Küstenregion des indischen Bundesstaates Karnataka, gefunden. Dort ist ein „mehrdimensionales Kulturprojekt“, in Form von traditionellen Gebäuden und
Kunstgegenständen und Kunsthandwerk, als ein komplettes Dorf realisiert worden: HASTA SHILPA HERITAGE VILLAGE
Das Dorf war eine Idee von Vijaynath Shenoy, einem pensionierten Bankier, der sein eigenes Haus mit in das Hasta Shilpa Museumsprojekt integriert hat, Eines der Gebäude des Hasta-Shilpa-Dorfes wurde zur Raja Ravi Varma Galerie ausgebaut:

Raja Ravi Varma wurde in Indien eher wegen der massenhaften farbigen Reproduktionen seiner Gemälde, die in jedem indischen Haus, in jedem Schrein und an jedem öffentlichen Ort ausgestellt wurden, zu einer Kultfigur, weniger wegen seiner Originalwerke. Daher sind der Herstellungsprozess dieser Oleographien und, was noch wichtiger ist, die Druckerpressen und das Zubehör, einschließlich der Lithosteine mit den Abdrücken der Werke von Ravi Varma und des für den Druck verwendeten Farbpulvers, so wichtig.

In diesem Bewusstsein erwarb Hasta Shilpa alle Materialien und „physischen Gegenstände“, die mit dem Druckprozess verbunden waren, mit dem Ziel, eine Galerie im Namen dieses Maler-Pioniers einzurichten, der das Gesicht der traditionellen indischen Kunst veränderte.

Druckerpresse, Zeichnung Rainer Schoder
Druckerpresse im Hasta Shilpa Heritage Village, Manipal, Zeichnung Rainer Schoder

Im Jahr 1892 importierte Raja Ravi Varma Druckerpressen aus Deutschland einschließlich zweier deutscher Spezialisten, Fritz Schleicher und B. Gerhardt, um sie zu installieren und zu betreiben. Mit Hilfe ihres Know-hows konnte die Presse dann mit einer Kapazität von bis zu achthundert Drucken pro Stunde arbeiten.

Zu Vijaynath Shenoy ein Auszug eines Artikels aus „Le Monde“ vom 25.08.09 (aus dem Französischen übersetzt):

Vijayanath Shenoy, Rainer Schoder
Vijayanath Shenoy, Rainer Schoder

Vijayanath Shenoy Der Retter indischer Paläste:
„Seit 30 Jahren widmet Vijaynath Shenoy sein komplettes Leben den Bauschätzen seines Landes, Indien. Seine Methode: Sie wieder in seinem Dorf aufzubauen.
Von seinen 26 Palästen umgeben, verbringt ein alter Mann mit hellblauen Augen, weißem Hemd
und aristokratischem Auftreten seine Tage, allein, inmitten eines unbewohnten Königreiches. Der
Saal des Heerführers des Vijayanagar-Königreiches – er wurde von den Dekkan-Sultanaten im 17. Jh. besiegt – wird nur von einer melancholischen Abend-Raga, einer klassischen indischen Melodie, erfüllt. Ein Stück weiter hat der Audienzsaal eines Marathen-Königs, umrahmt von vergilbten Portraits einer vergangenen Zeit, einen leeren Thron vorzuweisen – darüber, die Decke komplett mit Elfenbein-Einlegearbeiten verziert.

Sämtliche Gebäude sind erst vor kurzer Zeit errichtet worden. Oder, besser gesagt, wieder errichtet worden, Stein für Stein, weit entfernt von ihrem ursprünglichen Standort, auf einem ungepflegten Grundstück, im Hintergrund umgeben von halbfertigen klotzigen Beton-Rohbauten…“
Vijayanath Shenoy ist zwischenzeitlich verstorben.

Letztendlich noch ein Abstecher nach Stuttgart. Vor wenigen Tagen ist dort im Linden-Museum die Ausstellung „Von Liebe und Krieg“, über Tamil Nadu, zu Ende gegangen. Der Begleittext zu den ausgestellten Farbdrucken tamilischer Künstler fast die Bedeutung der Druckererzeugnisse für die indische Bevölkerung, insbesondere für deren unterprivilegierten Teil, in präziser Form zusammen:
„Die ersten lithografischen Druckereien in Indien wurden Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet, aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem Massenmedium, das von zahlreichen Druckereien und Künstlern produziert und vertrieben wurde…. Die lithografische Abbildung eröffnete vor allem den Dalits, denen der Zugang zu vielen Tempeln grundsätzlich verboten war, die Möglichkeit die Abbildungen in ihre eigenen Häuser, Hütten oder Zelte zu bringen und sich vom Tempel und den Brahmanen unabhängig zu machen.“

Christiane Chevallier-Schoder & Rainer Schoder

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