In Indiens grünem Nordosten

Schon beim Landeanflug auf Dibrugarh (Assam) sind wir überwältigt vom Anblick des frischen Grüns der Reisfelder und Teeplantagen. Die Dächer der Häuser lugen unter Bäumen und hohen Bambusstauden hervor und in der Ferne blinkt die weite Wasserfläche des Brahmaputra. Unser Hotel liegt direkt am Fluss, sodass wir am Abend an seinem Ufer den Sonnenuntergang genießen können, eine perfekte Einstimmung auf die vor uns liegende, für uns von indischen Freunden organisierte dreiwöchige Reise durch den Nordosten Indiens.

Sie beginnt am nächsten Tag mit der Besichtigung der Bauwerke der Ahomdynastie in Sibsagar, die in Assam 600 Jahre lang herrschte. Eindrucksvoll sind nicht nur die Paläste und Tempel, sondern auch die gewaltigen mit Gras bewachsenen Begräbnishügel. Unweit von Jorhat fahren wir mit unserem „Maruti“ auf die Fähre, die uns zur weltweit größten Flussinsel Majuli bringt. Die Fahrt auf dem breiten Brahmaputra vermittelt den Eindruck einer Seereise. Wir nächtigen im Happy Valley Resort, der Besitzer ist ein Mising, eine der vielen ethnischen Gruppen Indiens. Sie stellen die Majorität der Bevölkerung auf der Insel und die aus Bambus und Stroh errichteten Touristenunterkünfte sind wie deren Wohnhäuser gebaut.

Masken für Theateraufführungen in Majuli. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau
Masken für Theateraufführungen in Majuli. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau

Ein Mising ist auch am nächsten Tag unser Fremdenführer, wir besuchen mit ihm einige der bis in das 15. Jahrhundert zurückgehenden vishnuitischen Klöster (satras) und lassen uns von einem einheimischen studierten Kunstwissenschaftler erläutern, wie in Fortführung seiner Jahrhunderte alten Familientradition die Masken für die Theateraufführungen uralter epischer Mythen und Sagen hergestellt werden.

Nashorn im Kaziranga Nationalpark. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau
Nashorn im Kaziranga Nationalpark. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau

Wieder auf dem Festland geht es auf dem Rücken eines Elefanten in den Kaziranga Nationalpark. Dort beobachten wir Rhinozerosse, wilde Elefanten und Büffel.

Bei Bhalukpong verlassen wir den Bundesstaat Assam. Nun geht es durch Arunachal Pradesh. Unsere erste Station ist Dirang mitten im Siedlungsgebiet der Monpas, eine weitere bedeutende ethnische Gruppe im Nordosten Indiens. Eine alte Festung aus dem 17. Jahrhundert diente den damaligen tibetischen Herrschern als Verwaltungsstützpunkt. In Dirang gibt es auch eine heiße Quelle und, wenn man die richtige Jahreszeit für die Reise gewählt hat, kann man in den Plantagen Kiwis oder Äpfel erntefrisch erwerben.

Nathu La. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau
Nathu La. © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau

Anschließend steht uns der Höhepunkt der Reise bevor: die Überquerung des Sela, ein Pass von 4.575 m Höhe. Die Fahrt durch die alpine Landschaft ist so beeindruckend, dass man den beklagenswerten Zustand der Straße, die extremen Witterungs- und geologischen Verhältnissen ausgesetzt ist, kaum zur Kenntnis nimmt. Jenseits des Passes, immer noch auf einer Höhe von über 3.000 m gelegen, besichtigen wir ausführlich die Gompa Tawang, nach Lhasa das zweitgrößte buddhistische Kloster in Asien, aber auch ein buddhistisches Nonnenkloster in 3.750 Metern Höhe.

Auf der Rückfahrt nach Dirang verweilen wir am Kriegerdenkmal und gedenken der Toten des indisch-chinesischen Grenzkrieges von 1962. An einem Imbissstand genießen wir ofenfrische Samosas und Tee, spendiert von der für diesen Bezirk zuständigen Armeeeinheit. In Bomdila, auf 2.217 Meter Höhe, besichtigen wir das dortige buddhistische Kloster, das gerade in prächtigen Farben umfassend renoviert wird.

Dann verlassen wir den Bundesstaat Arunachal Pradesh wieder und kehren nach Assam zurück. Die Nacht verbringen wir in den Zelten eines Öko-Camps inmitten eines Naturschutzgebietes und können bei der morgendlichen Tour durch den Dschungel einen wilden Elefanten ganz aus der Nähe beobachten.

Bei Tejpur überquert eine 3 km lange Brücke den mächtigen Brahmaputra. Nur wenige Kilometer von Guwahati entfernt liegt die Ausgrabungsstätte von Madan Kamdev, deren zahlreiche wunderschöne Skulpturen, Zeugnisse der Erotik in der indischen Tempelkunst, Anlass gaben, diese Tempelstätten als das Khajuraho des Nordostens zu bezeichnen. Aber Achtung! Das Museum, in dem die meisten der ausgegrabenen Skulpturen aufbewahrt werden, ist montags geschlossen!

Tanzfest in Smit (Meghalaya). © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau
Tanzfest in Smit (Meghalaya). © Foto: Dr. Hiltrud Rüstau

Wir machen kurz Station in Guwahati und besichtigen den shaktistischen Kamakhya-Tempel und den Tempel der Neun Planeten. Am nächsten Tag geht es bereits weiter nach Shillong im Bundesstaat Meghalaya, wo wir im kleinen Städtchen Smit das Nongkren-Tanzfest des Khasistammes, das immer im Herbst stattfindet, erleben wollen. Bei den Khasis herrscht matrilineare Erbfolge, das heißt, die älteste Tochter erbt den Familienbesitz. Vor dem ganz aus Bambus, Holz und Stroh ohne jede Verwendung von Eisen angefertigten Langhaus der Königin des Stammes tanzen die jungen Männer des Stammes getrennt von den jungen Mädchen in ihren wunderschönen traditionellen Trachten, nachdem am Abend zuvor der Göttin mit einem Tieropfer für die Ernte des Jahres gedankt und um ihr Wohlwollen für das kommende Jahr gebeten wurde.

Von Guwahati fliegen wir über Delhi wieder zurück nach Deutschland, allerdings nicht ohne noch zuvor bei einer Bootsfahrt auf dem Fluss Kukurmana, nur wenige Kilometer vom Flugplatz von Guwahati entfernt, dem Spiel der Flussdelphine zugeschaut zu haben. Dr. Hiltrud Rüstau

Dr. Hiltrud Rüstau ist eine ehemalige Hochschuldozentin am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Seminar für Geschichte und Gesellschaft Indiens der Humboldt-Universität zu Berlin.

Hinweis: Für die Einreise nach Arunachal Pradesh ist eine Spezialerlaubnis nötig (Inner Line Permit), die indische Reisebüros problemlos besorgen können.

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