Tushara und Ishita an ihrem Shaka Surf Club in Karnatak. © Foto: Dorit Behrens

Gute Reise durch Indien – Buch und Projekt

Tushara und Ishita an ihrem Shaka Surf Club in Karnatak. © Foto: Dorit Behrens

„Gute Reise!“, ertönt es pünktlich zur Urlaubszeit wieder allerorten. Schön, doch was macht eine Reise eigentlich gut? Das nette Hotel, der schöne Strand, das leckere Essen – gibt es da nicht noch mehr? Mit dieser Frage im Gepäck ist Autorin Dorit Behrens nach Indien gereist, um herauszufinden, welche Verantwortung wir als Reisende tragen und wie die Reise für alle Beteiligten – Mensch und Natur – wirklich gut wird. Ihre Abenteuer hält sie im Buch „Gute Reise“ fest, das 2014 erscheinen wird. Indien-Aktuell-Leser dürfen aber vorab schon ein wenig darin schmökern:

Shaka! Auf Ozeanwellen in die Zukunft

Ein bisschen aufgeregt bin ich ja schon. Heute treffe ich Tushar und Ishita, die meinen, in mir stecke eine echte Wellenreiterin. Während ich das noch heftig bezweifle und darüber nachdenke, wie sich wohl Surfbrett und Sari miteinander vertragen, steht das junge Paar auch schon vor mir – in T-Shirt und Shorts. Na gut, diese Frage hat sich schon mal erledigt. Beim Entern ihres winzigen Autos, auf dessen Rücksitz mich ihr zotteliger Surfhund Mali erwartet, verflüchtigt sich auch der Rest meiner Nervosität. Nicht zuletzt dank Marley, in diesem Fall Bob, dessen Klänge aus dem Radio strömen. Und so gleite ich in standesgemäßer Hang-Loose-Manier zur besten Brandung Karnatakas, ganz in der Nähe des Unistädtchens Manipal. Dort haben die beiden einen Surfclub eröffnet – einen der ersten in ganz Indien, um genau zu sein.

Der Shaka Surf Club ist eine kleine türkisfarbene Hütte. Typisch für diese Gegend, die hauptsächlich von Fischerleuten bewohnt wird. Im Schuppen warten knapp zehn Surfboards darauf, die nächste Welle zu erwischen. Das Paar stellt sie mir einzeln vor – mit Augenzwinkern, aber nicht ohne Stolz. Eigentlich waren sie aus Mumbai hierher gekommen, um ernsthafte Karrieren voranzutreiben: Sie wollte Journalistin werden, er Architekt. Aber anstatt Tag für Tag im Büro zu sitzen, haben sie sich ins Meer verliebt, Surfen gelernt und sind geblieben. Für europäische Ohren klingt das nach dem wunderbaren Traum, einfach aus dem Hamsterrad auszubrechen. Für indische Standards ist das gänzlich undenkbar. Ein Paar, noch dazu unverheiratet, lässt alle Karrierepläne sausen, das sichere Einkommen und den sozialen Status. Und all das für einen Club von Menschen, die es praktisch gar nicht gibt. Denn kaum ein Inder kann schwimmen, das gilt selbst für die Fischer.

Tushar und Ishita haben also ziemlich gute Nerven. Und sie machen das auch noch für einen guten Zweck. Denn neben ihrem Camp für Wassersportler und solche, die es mal werden wollen, bauen sie nach und nach ein ganzes Surfdorf auf. Damit wollen sie den örtlichen Kindern die Angst vor dem Element nehmen, ihnen das Schwimmen beibringen und schließlich das Surfen. Neben lauter kleinen Wasserratten soll dabei eine selbstbewusste junge Generation entstehen, die respektvoll mit der Natur umgeht. Mit spielerischen Aktionen wie Strandsäuberungen wollen sie die Jüngsten für mehr Umweltbewusstsein begeistern, denn das ist noch selten in Indien. Ganz nebenbei wird so auch das Miteinander gestärkt – von Hindus und Muslimen, Jungen und Mädchen. Aktuell trainieren schon eine Handvoll Kinder und Jugendliche zwischen fünf und siebzehn Jahren hier, darunter ein Mädchen. Vor einem Jahr wäre das undenkbar gewesen, denn auf dem Land bestimmen noch strenge, althergebrachte Ordnungen das Leben. Aber das Paar hat das Vertrauen der Dorfbewohner gewonnen, Welle für Welle.

Während ich mich tapfer durch selbige kämpfe und so langsam ein Gefühl für den perfekten Moment entwickle – an dem man wie verrückt lospaddelt, das Gesicht zur Grimasse verzerrt, dann federleicht aufspringt und elegant an Land gleitet (oder so ähnlich) – sind wir vollkommen allein. Unglaublich in diesem oft so lautstarken und überfüllten Land. Und beruhigend, denn das mit der Eleganz will noch nicht so recht klappen. Gleichzeitig bedroht gerade diese Idylle den Ort. Denn die schnell wachsende Reiseindustrie sucht ständig nach unentdeckten Traumzielen wie diesem. Ein äußerst zweischneidiges Schwert, denn einerseits könnte der Tourismus den Fischerfamilien ein Zubrot bescheren. Finanziell halten sie sich aufgrund zunehmend verschmutzter und überfischter Meere oft nur noch knapp über Wasser. Andererseits bedeuten Unmengen von Reisenden aber womöglich auch Unmengen an Abfall statt unberührter Natur, belagerte Strände statt Fischerboote und einen rasant steigenden Wasser- und Energiebedarf bei ohnehin knappen Ressourcen. Ganz zu schweigen von den kulturellen Kollisionen, die Bars und Bikinis mit sich bringen.

Die Bewohner Goas, der beliebten Stranddestination nur 300 Kilometer weiter nördlich, können ein Lied davon singen. Das Surferpaar träumt deshalb von einem sanften Tourismus. Von kleinen Home-Stays zum Beispiel, bei denen die Gäste sich nicht in riesigen Hotelkomplexen abschotten, sondern bei Familien im Dorf übernachten. Dort könnten sie das Leben an der Küste hautnah und vor allem verträglich entdecken. „Shaka“, denke ich, und lasse mich erschöpft in den Sand fallen. Unter Surfern bedeutet das so viel wie „Okay, cool“, denn die Vision klingt nach einer richtig guten Idee. Ich horche kurz in mich hinein: Mein Puls rast, meine Kehle schmeckt nach Salzwasser und meine Knie sind verschrammt – aber mein Herz strahlt. So ganz unrecht hatten Tushar und Ishita vielleicht doch nicht: Ich stand auf einem Surfbrett. Auf einer Welle. Mit beiden Beinen. Kann das Leben viel besser werden? Dorit Behrens

Sie möchten auch gleich lossurfen? Dann besuchen Sie Gute Reise auf www.gute-reise.in und den Shaka Surf Club auf www.theshakasurfclub.wordpress.com.

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