GOLCONDE – Der erste moderne Stahlbetonbau in Indien

Mahabalipuram, in Tamil Nadu, circa 50 km südlich von Chennai, ist unser jährliches Urlaubsziel. Damit verbunden sind immer Ausflüge nach Puducherry, der ehemaligen französischen Kolonie Pondicherry („comptoir commercial français“ bis 1954), um ein wenig französisches „Rest-Flair“ zu genießen.

Eher zufällig haben wir dabei den ersten modernen Stahlbetonbau in Indien entdeckt. Die moderne indische Architektur ist normalerweise mit den Namen Le Corbusier und Albert Kahn verbunden. Ihre Tätigkeit startete aber erst in den 50er Jahren. Etwas früher, wohl weniger bekannt, begann der Deutsche Otto Koenigsberger, der als Jude aus Nazideutschland flüchten musste, seine Tätigkeit als „Baumeister“. Er wurde 1948 von Pandit Nehru nach Mysore berufen.

Lamellenfassade
Lamellenfassade

Wesentlich früher aber erfolgte der Start der „modernen Architektur Indiens“ in Puducherry: Pondicherry, der damalige Name der Stadt, war das Refugium – der Fluchtort vor britischer Verfolgung – des Philosophen Sri Aurobindo. 1926 gründete er gemeinsam mit der Französin Mirra Alfassa den Sri Aurobindo Ashram, eine Kommune, in die bald „Suchende“ aus der ganzen Welt kamen, angezogen von den Lehren Aurobindos. Er selbst zog sich bald mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurück und überließ Mirra Alfassa, die später nur noch „die Mutter“ genannt wurde, die Organisation des Ashrams.

Die geschlossenen Lamellen und das Souterraingeschoss
Die geschlossenen Lamellen und das Souterraingeschoss

Nachdem der Ashram 1934 eine beträchtliche Spende von Akbar Hydari, dem Premierminister des Staates Hyderabad, erhalten hatte (sein Sohn hatte Trost im Ashram gesucht und gefunden), beschloss „die Mutter“, die Mittel für den Bau eines Schlafsaal-Gebäudes zu verwenden. Sie wollte damit die Unterbringung der wachsenden Ashram-Gemeinschaft gewährleisten.

1935 bat sie Antonin Raymond, einen in Tokio ansässigen amerikanischen Architekten, die Planung zu übernehmen. Raymond akzeptierte und bald begannen die Planungen für das Gebäude, das Golconde getauft werden sollte – eine Hommage an die berühmten Golconda-Diamantminen des Spenders.

Raymonds Vorschlag, ein Stahlbetongebäude zu bauen, war für Indien beispiellos, und es war klar, dass dafür ein Architekt „vor Ort“ notwendig war, um die Bauarbeiten mit den neuen Baumaterialien (Beton und Stahl) täglich zu organisieren und zu überwachen. Die Bauleitung wurde George Nakashima anvertraut, einem japanisch-amerikanischen Architekten, der in Raymonds Büro arbeitete. Nakashima verließ im Oktober 1939 Indien, vielleicht aufgrund des in Europa begonnenen Zweiten Weltkriegs. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Stahlbeton-Arbeiten abgeschlossen. Udar Pinto, ein indischer Luftfahrtingenieur, und seine Frau Mona übernahmen die Bauleitungsaufgabe.

Skizze, Vogelperspektive Golconde
Skizze, Vogelperspektive Golconde

Golconde wurde schließlich 1942, bis auf einige Restarbeiten, fertiggestellt. Mona übernahm die Leitung des Ashram-Wohn- und Schlaf-Gebäudes. Golconde hat einen einfachen Grundriss: zwei lange Gebäudeflügel, die mittig von einem Treppenhaus erschlossen werden, wie auf der Skizze gut zu erkennen ist.

Die Einzelzimmer reihen sich entlang eines Flures aneinander, der die gesamte Gebäudelänge erschließt. Eine Art Souterraingeschoss dient als Versorgungsbereich unter den drei Wohngeschossen. Die Fassadenfront mit den Einzelzimmern ist ebenso wie die Gebäuderückseite mit Lamellen ausgestattet, die je nach Witterung geöffnet und geschlossen werden können. Das funktioniert bis heute und dürfte, bei steigenden Sommertemperaturen, noch wichtiger sein als in den Anfangsjahren.

Text Skizzen und Fotos: Rainer Schoder

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